Siedlung
Wer sich von Bobingen aus auf den Weg nach Straßberg macht, sieht nach der Überquerung der Wertach einen kleinen aber stattlichen Ort vor dem Leitenberg liegen. Kaum vorstellbar, dass vor 75 Jahren hier plötzlich 10 Siedlerhäuser mit großen Gärten in der Wiese standen. Was wirkte hier zusammen und wie konnte der Gedanke in die Realität umgesetzt werden?
Das Projekt - die Siedlung Bobingen
Der ehemalige Werksleiter der IG-Farben, „Siedlervater" Adolph Kämpf, schreibt in seinen Lebenserinnerungen 1955: „Neben dem Technischen wurde mir in Bobingen eine schöne soziale Aufgabe übertragen. Ich durfte jenseits der Wertach, beim Dörflein Straßberg, 1937 eine Arbeiter- und Angestelltensiedlung bauen. Das hat mir große Freude gemacht. Noch heute darf ich mich von den ehemaligen Erstsiedlern mit Befriedigung den Vater der Siedlung nennen lassen ..."
Die Grundlage für die schon in der Weimarer Republik begonnene Siedlungspolitik, war der Gedanke, die Schaffung von Wohnraum, mit der Möglichkeit eines hohen Anteils an Selbstversorgung für Werkangehörige der IG-Farben-Fabrik in Bobingen, umzusetzen. Schon 1935 teilte Bürgermeister Renz dem Heimstättenamt in Augsburg mit, dass großes Interesse an dem Bau einer Siedlung bestehe. Über 100 interessierte Bürger hatten sich in der Gastwirtschaft Escheu zusammen gefunden. Nachdem Bauer Schlecht 5,5 Hektar seines Grundes am Straßberger Wald verkaufte, war der Standort für die Siedlung gefunden. Die Siedlungswilligen mussten nun strenge Kriterien erfüllen. Sie mussten einen feste Anstellung vorweisen, politisch und sozial unbescholten sein. Zusätzlich waren handwerkliche Fähigkeiten und Bereitschaft zur Eigenleistung am Bau unabdingbare Voraussetzungen.
Die Finanzierung des Siedlerhauses trug zu einem Drittel die Pensionskasse des IG-Hauptwerkes in Wolfen, mit der Vergabe von zinsgünstigen Darlehen. 1.500 Mark gab die Fabrik als Zuschuss, dazu 500 Mark als Reichsbürgschaft. Der Siedlungswillige musste für das 6.000 Mark-Haus 1.350 Reichsmark selbst aufbringen, sowie 800 Stunden Eigenleistung. Nachdem die Finanzierung stand und alle rechtlichen Fragen abgeklärt waren, konnten schon am 1. Mai 1938 die ersten zehn Siedlungshäuser bezogen werden. Schnell wuchs die Siedlung in mehreren Schritten, sodass 54 Siedler einziehen konnten und sogar noch drei Wohnblocks mit Werkswohnungen der IG-Farben bis 1941 fertig gestellt waren.
Nach dem Krieg entwickelte sich die Siedlung weiter, die Gemeinde Bobingen und die Kunstseidefabrik förderten den Ausbau massiv. Bei der Bereitstellung der Darlehen erwarben sich der Leiter der Allgemeinen Abteilung der Kunstseidefabrik, Walter Schönauer und der Betriebsratsvorsitzende Michael Schäffer große Verdienste.
Ab Januar 1952 ist die Siedlung nach Bobingen eingemeindet, damit überträgt sich auch das dynamische Wachstum des Fabrikstandortes auf die weitere Entwicklung der Siedlung. Die örtliche Infrastruktur, 1954 mit dem Bau einer Schule, Sportanlage und Turnhalle, 1956 dem Kirchenbau „Zur Heiligen Familie", der Errichtung zweier Kindergärten, sowie einem Geschäftszentrum mit allen Angeboten für den Bedarf der Familien u.v.m. versorgte bis zu fast 2.700 Einwohner. In den örtlichen Vereinen, wie dem Siedlerverein und dem großen Sportverein SSV bringen sich viele Siedler seit Jahrzehnten in erheblichem Umfang ehrenamtlich ein.
Die „Siedler-Gruppe Bobingen e.V. 1937" begeht im Jahr 2012, gemeinsam mit der Stadt Bobingen, das 75-jährige Jubiläum der Siedlung.
Doch trotzdem reicht es nicht, sich auf dem Erfolg der Siedlung auszuruhen, denn der demoskopische Wandel und die schwierige allgemeine ökonomische Situation, wirken sich auch auf die Strukturen aus, denn aktuell leben etwa nur noch 2.000 BürgerInnen in der Siedlung. Der Stadtrat hat nun beschlossen, eine Stadtentwicklungsmaßnahme anzugehen, mit der, unter Einbeziehung der Bewohner und von Fachleuten, Strategien entwickelt werden, die es ermöglichen, dass der Baubestand verdichtet wird, junge Familien damit zuziehen können und die Attraktivität der Siedlung, am Rande des Naturparks Westliche Wälder, nachhaltig gesichert und gesteigert wird.

